Die Crnelsko Brezno (Slowenien) -
1000 Meter unter dem Rombon Plateau

Das Rombon-Plateau in Slowenien wartet mit einigen spektakulären Höhlen auf. So befinden sich hier die Crnelsko Brezno (-1250m), Ceki 2 (-1370m) und die Vandima (-1182m). Auf der italienischen Seite, des im ersten Weltkrieg übrigens hart umkämpften Plateaus (Isonzo Front) liegt Led Zeppelin mit einer Tiefe von 960 Metern.
Die von ukrainischen Forschern bearbeitete Ceki 2 ist augenblicklich die tiefste Höhle Sloweniens und nimmt etwa Rang 14 der tiefsten Höhlen der Erde ein.
Auf dem Rombon sowie dem gegenüberliegenden Monte Kanin forschen derzeit Gruppen aus fünf Nationen (SLO, I, F, UA, PL).
Die Furets Jaunes Seyssins, an deren Expedition ich diesen Sommer teilnahm, waren auf dem Rombon aktiv. Alle Parameter sprachen für ein großartiges Potential und ließen interessante Entdeckungen erwarten. Die Hoffnungen wurden aber enttäuscht, kein wirklich interessantes Objekt konnte erforscht werden. So war das speläologische Highlight der Expedition die Befahrung der Crnelsko Brezno zusammen mit italienischen Kameraden.

Der Eingang der Crnelsko Brezno wurde im Winter 1989 von Triester Höhlenforschern entdeckt. Ende des Sommers 1990 war man auf -1000 m angelangt, der Endpunkt wurde schließlich auf -1198 m erreicht. Ein Tauchgang im Endsyphon brachte eine Tiefe von -1250 Metern. In den folgenden Jahren wurde die Crnelsko Brezno zwar nicht tiefer, aber länger und komplexer. Es wurden zwei weitere Eingänge und viele Kilometer Galerien entdeckt. Somit stellt die Höhle mit einer Gesamtganglänge von fast 10 km das bedeutenste Objekt auf dem Massiv dar. Die Forschungstätigkeiten sind noch nicht abgeschlossen.
Die Höhle ist die ersten 600 Meter Tiefe rein vertikal. Dann bekommt sie einen eher horizontalen Charakter. Etwa 3 Kilometer Strecke sind bis zum zweiten Biwak zurückzulegen. Durch ständiges Auf und Ab im horizontalen Teil sind zur Befahrung insgesamt sogar weit mehr als 1000 m am Seil zu bewältigen.

Vorgesehen war eine Tour in die Crnelsko Brezno auf eine Tiefe von ca. 1100 m, wo sich eine interessante Kletterstelle befindet. Diese sollte bezwungen werden.
Am 07.08.99 gegen 10:00 Uhr morgens stiegen die drei "Tiefenspezialisten" Phil Audra (F), Al Warild (AUS; wohl der Höhlenforscher, welcher weltweit die meisten "-1000m" erforscht oder touristisch befahren hat), Greg Tunnock (AUS) und ich ein. Die Kameraden aus Trieste wollten 3 Stunden später folgen um ein zügiges Fortkommen zu gewährleisten. Ein Treffen im zweiten Biwak auf -1000m war geplant um das Biwakmaterial zu hinterlegen und gemeinsam die Kletterstelle anzugehen.

Die Schächte bis auf -600 sind nicht gerade überwältigend. Für alpine Verhältnisse ist die Höhle hier eher kleinräumig, aber nirgends wirklich eng. Alle 20 m kommt eine Umsteigestelle. Auch der im tiefste Schacht mit 170 Metern ist bis auf eine 60 Meter Strecke in 20 m Längen gestückelt. Etwas lästig beim Abseilen und wirklich kraftraubend beim Aufstieg ist die Tatsache, daß sehr viele Pendelstellen vorhanden sind.
Im horizontalen Teil auf etwa - 600 wird die Höhle aktiv und es geht mittels Traversen und Seilbahnen über kleine Seen sowie tiefe, wassergefüllte Kolke.
Bei -620 liegt das erste Biwak, im "Salla Cascada", einer wunderschönen kleinen Halle, in der ein Wasserfall aus der Decke kommt. Kurz vor dem Biwak taucht die Decke ab, hier kann die Höhle syphonnieren. In dieser "Bückstelle" hat wohl jeder ein bischen Wasser in die Stiefel bekommen. Sehr unangenehm ist die eisige, feuchte, sehr starke Bewetterung. Wie kann man hier nur ein Biwak einrichten?

Phil Audra im Salla cascada     (Photo: Al Warild)

Weiter geht es nun in einem fossilen Teil. Dieser ist nicht besonders großräumig und etwas schmutzig. Nach etwa 50 Metern Aufstieg gelangen wir zum Schacht "Galactica", dessen Name keine Übertreibung ist. Wir seilen 60 Meter ins "Nichts" ab. Ab dort geht es wieder im aktiven Teil weiter. Über "Salla Kugy" in die "Kurve der Götter" zum "Freezer-Schacht", der in den "Rio Kugy" mündet. Hier ist der Fels perfekt weiß gewaschen, das Wasser tobt unter uns. Die Traversen müssen jährlich neu eingerichtet werden, da die Seile während der Hochwasserperioden zerschlagen werden. Auch nach einem Gewitter dürfte dies hier die "unangenehmste" Stelle in der Höhle sein. Wunderschöne Kaskaden führen in den Canyon Aqualungo. Er ist weitgehend horizontal und der beste Teil der ganzen Höhle. Der Canyon ist ca. 2 Meter breit, die Decke verschwindet im Dunkel. Das Fortkommen ist allerdings etwas schwierig, denn das tiefe Wasser erfordert kompliziertes Gespreize und einige Kletterei. Nach einem fossilen Schacht erreichen wir gegen 19:00 Uhr das 2. Biwak auf ironischerweise genau (!) 1000 Metern Tiefe. Aus Rettungsdecken und Isomatten haben die Italiener hier ein Luxuscamp für 8 Personen gebaut. Kaum hatten wir uns gesetzt und eine Tütensuppe verschlungen kamen die italienischen Kameraden an, um uns aufgeregt zu berichten, daß der um 12:00 Uhr mittels Handy eingeholte Wetterbericht außerordentlich schlecht ist, und wir uns am besten sofort an den Aufstieg machen sollten. Es gibt in der Höhle mehrere Stellen, die bei Hochwasser unpassierbar sind. Dennoch beratschlagen wir, ob wir unser Vorhaben (Kletterstelle und Endpunktbesichtigung) durchziehen. Roberto meint, daß wir höchstens 2 bis 3 Tage eingeschlossen wären und eine Nacht im Biwak hatten wir eh vorgesehen. Karbid und Verpflegung wären, unter anderem von anderen Expeditionen, noch genug vorhanden. Zudem ist das Camp sehr komfortabel. So richtig begeistern kann sich außer Al aber keiner für diese Idee.
Also packen wir unser Sachen wieder ein und beginnen mit dem Aufsteig, wobei ich als Erster ging. Greg und Phil folgten. Al wollte unbedingt noch ein paar Meter tiefer gehen und Roberto und Giacomo ruhten sich etwas aus. Sie kamen ja auch später als wir ins Biwak.

Der Aufstieg ging recht zügig und gleichmäßig voran. Phil hat dazu in seinem Tagebuch vermerkt "Bernhard, qui jusqu'alors nous avait annoncé que le retour risquait de s'effectuer à petit rythme court devant. Peut-être que la crue imminente lui donne des ailes?". 1) Daß nicht nur aufputschmittelhaltige Limonaden einer bestimmten Firma Flügel verleihen, sei hiermit bewiesen.
Auch die großen Schächte und Traversen (Galactica, Kungy) waren flott bewältigt. Dennoch wurden die Bewegungen langsamer. An vielen ausgesetzten Stellen ist große Vorsicht vonnöten, gerade wenn man erschöpft ist. Kurz vor dem Biwak auf -620 wurde Greg immer langsamer. Im Biwak machten wir Pause und rührten uns ein Süppchen an. Nun schlugen die Anstrengungen voll durch. Erschöpft und ausgefroren saßen wir zusammengekauert im Zelt aus Rettungsdecken. Kaum ein Wort wurde gesprochen. Greg versuchte etwas zu schlafen. Nach einiger Zeit platzten Al, Giacomo und Roberto ins Camp. Obwohl es jetzt fast gemütlich warm wurde, war es Zeit weiter aufzusteigen. Inzwischen war es 3:00 Uhr morgens. Ich hatte gerade meinen Tiefpunkt und quälte mich über die Seilbahnen zum Beginn der vertikalen Zone. Dort saß ich erst einmal apathisch herum bis Phil kam, der auf dem Weg einige Sedimentproben für's Labor (Paläomagnetismus) sammelte. Zusammen begannen wir den langen Weg zum Ausgang. Erst ging es erstaunlich schnell, aber im 170er Schacht war dann praktisch jeder alleine unterwegs. Die Schachtzone weist keinerlei markanten Punkte auf. Dadurch wurde der Aufstieg zu einer monotonen, nicht enden wollenden Strapaze. Die Pendelstellen stellten sich als äußerst kraftraubend heraus. Aber stumpfsinnig stiegen wir dem Tag entgegen. Im nun fossilen, vertikalen Teil herrschen andere Verhältnisse als im aktiven. Hitze und Durst sind unerträglich, aber Wasser gibt es keines. So süffelten wir Flüssigkeit äußerst zweifelhafter Qualität aus Pinkelpfützen mit Zigarettenstummeln darinnen. Es gibt nur wenige Stellen an denen man bequem sitzen und sich etwas ausruhen kann.
Irgendwann erreichte ich den Punkt -230 - erkennbar an einer Karbidrolle. Diese normalerweise lächerliche Tiefe stellte nach den vorausgegangenen Strapazen unsere Motivation auf eine äußerst harte Probe. Aber um 07:00 Uhr ist es endlich soweit: Ich stecke meine Nase aus dem Eingang. Massig Glückshormone hatten wir schon freigesetzt, als wir das erste Ozon in der Luft schmeckten. Phil folgte um 07:30, dann kam Al und schließlich unsere Kameraden aus Trieste. Greg war völlig erschöpft und lag weit zurück.

Kaum hatten wir uns umgezogen setzte der angekündigte Regen- und Hagelsturm ein. Wir eilten ins Camp, wo Greg erst vier Stunden später wie ein Geist aus dem Nebel auftaucht. Leichenblass, Ruß unter den roten Augen. Nachdem auch er wohlbehalten zurück war konnten wir uns endlich richtig entspannen. Erschöpft und zerschunden - kurz: zufrieden - schlüpften wir in unsere Schlafsäcke. Mein Essen bekam ich vor Müdigkeit kaum runter.
Trotz abgebrochener Forschung und einem unerwarteten Eilaufstieg war es eine großartige Befahrung. Ohne Biwak- und Forschungsmaterial hätte es eine sooo nette Torismus - Foto - Tour werden können.

1) Bernhard, der ständig darauf hinwies, daß er beim Aufstieg wohl etwas langsamer sein wird, rennt voraus. Vielleicht verleiht ihm der drohende Hochwassereinbruch Flügel?


Autor: Bernhard Köppen



Literatur:

  • ANTONINI R. 1990:
  • "Veliko Sbrego: geologia e carsismo della zona", Progressione, n° 22, p. 23-24. Commissione Grotte E. Boegan, Trieste.

  • AUDRA PH. 1999:
  • Slovénie 99 - Massif du Rombon - Août 1999. Expédition spéléologique des Furets jaunes de Seyssins. 33 p. Les Furets jaunes, Seyssins.

  • AUDRA PH. 2000:
  • Slovénie: un nouveau "spot" souterrain..., Spéléo, n° 34, p. 6-9, Grenoble.

  • BUZIO A. & FAVERJON M. 1996:
  • "Grottes et spéléologie en Italie", Spelunca, n° 61, p. 31-50. Fédération française de spéléologie, Paris.

  • PEZZELATO P. 1990:
  • "Veliko Sbrego: cronace esplorative 1989-1990", Progressione, n° 23, p. 34-37. Commissione Grotte E. Boegan, Trieste.

  • SQUASSINO P. 1990:
  • "Cronaca di una scoperta. A meno mille nel Canin", Progressione, n° 22, p. 19-20. Commissione Grotte E. Boegan, Trieste.

  • SQUASSINO P. 1991:
  • "Come, quando, perche' sull'altopiano sloveno del Canin", Progressione, n° 24, p. 36-42. Commissione Grotte E. Boegan, Trieste.


    Dieser Aufsatz wurde 1999 als Originalbeitrag in "DER HÖHLENFORSCHER - Mitteilungsblatt der Höhlenforschergruppe Dresden", Heft 3, S. 89 bis 93, veröffentlicht. (Bezugsadresse: Dipl.-Min. Roland H. Winkelhöfer, Bulgakowstr. 34, 01217 Dresden).