2005 Brillenschacht - Das unscheinbare Loch im Boden
Oberhalb des Schlangenschlunds (1511/866) zieht das Steiglein ins Sandkar am
Eisstüberl (1511/312) vorbei um unmittelbar danach eine Reihe größerer Dolinen und
Senken auf deren Ostseiten zu berühren.
Der latschenüberzogene Rücken, der westlich dieser Dolinenketten, leicht steigend in
SW- Richtung verläuft lockt mich schon länger, befindet man sich hier doch genau in
dem Bereich, durch den der altbekannte, ansteigende Höhlenast des Schneelochs
(1511/7) in SW- Richtung verläuft. Dieser konnte bisher bis +132m verfolgt werden,
ohne eine Verbindung zur Oberfläche. Die Frage ist: hat sich überhaupt jemand mal die
Mühe gemacht, diesen Latschenrücken näher zu untersuchen? Meine Vermutung
„nein", denn wer das Steiglein Richtung Sandkar geht, wird fast immer versucht sein,
östlich, damit also hangaufwärts und Richtung "Dunkle Gruben" ins Gelände
vorzudringen. Hier locken deutlich sichtbare Öffnungen, Schlünde und eine
faszinierende Felslandschaft. Der Rücken westlich dieser Dolinen hingegen bietet nichts
als unübersichtliche Latschen und ist außerdem vom Steig aus ungünstig zu erreichen,
denn die Dolinen fallen auf dieser Seite steil und felsig ein.
Gute Voraussetzungen für mich hier etwas Neues zu finden...
2005 Brillenschacht - Die Entdeckung
Datum: 03.10.2005
Teilnehmer:
Beni Köstler,
Dirk,
Frank Schlöffel
Es war der letzte Tag eines langen Forschungswochenendes, der Abreisetag. Der
überwiegende Teil unserer Forscherkollegen hatte sich schon am frühen Vormittag
Richtung Tal verdrückt, geblieben waren nur Beni, Dirk und meine Person.
Wir wollten den schönen Tag nutzen, um noch ein wenig durch das Gelände zu streifen,
dabei vor allem auch die Koordinaten einiger Eingänge aufnehmen.
Das war Dirk's Job, und so blieb für Beni und mich an jenem Tag ausreichend Zeit, sich
im unwegsamen Latschendickicht ein wenig genauer umzuschauen. Schon bald war
jeder von uns alleine unterwegs...
...nachdem ich etwa 1 Stunde lang „meinen" Hang abgegrast habe, mich durch viele
kleine Karstgassen rauf und runter geschunden habe, die Arme und Beine zerkratzt
vom Kampf mit den Latschen, bin ich nahe daran für heute zu kapitulieren. Obwohl ich
viele kleine Senken, Dolinen, Schlucklöcher u.ä. gesehen habe, etwas wirklich
Hoffnungsvolles war bisher nicht dabei.
So blicke ich eher mißtrauisch zu der kleinen Felswand hinauf, in der zwei Spalten
klaffen. „Das kann doch nichts sein" denke ich mir, aber trotzdem setze ich meine
mittlerweile schweren Beine in Bewegung um auch hier ‚ganz sicher zu sein!'
In der Tat, die Spalten sind zu, das erkennt man schon aus 10 Meter Entfernung. Doch
warum quäle ich mich eigentlich auch die letzten Meter ganz hinauf?
Irgend etwas zog mich scheinbar nach oben... Und das war gut so, denn nur dadurch
habe ich das unmittelbar ein Meter vor der Wand gelegen kleine „Loch im Boden"
überhaupt registrieren können.
Dieses wird durch einen Felsblock eigentlich in zwei kleine, etwa fußgroße Bodenlöcher
gegliedert. Unten, in etwa 1,5 m Tiefe kann ich eine kleine Kammer ausmachen, die
schräg hangabwärts abfällt. Der Raum da unten könnte passierbar sein und... blasen
tun die Bodenlöcher auch ganz ordentlich! Einige Steine werden von mir hinein
geworfen und mit großer Verwunderung stelle ich fest, daß diese am nicht einsehbaren
tiefsten Punkt der Kammer weiter schräg hinab rollen um letztlich auch noch mehrere
Meter frei zu fallen! Auch das Aufschlaggeräusch macht Freude, denn der deutliche
Hall deutet auf einen größeren Raum hin...
Es scheint so, als hätte ich da etwas Neues gefunden, doch bevor an eine Befahrung zu
denken ist, müßte zunächst die Einstiegsöffnung passierbar gemacht werden und das
brüchige Gestein am Einstieg vorsichtig entfernt werden. Nächstes mal!
Das kann doch nichts sein! (Foto: Frank Schlöffel)
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Fußgroße Bodenlöcher, ca. 1m vor der Felswand (Foto: Frank Schlöffel)
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2005 Brillenschacht - Der Einstieg wird freigeräumt
Datum: 15.10.2005
Teilnehmer:
Frank Schlöffel
Sehr kurzfristig habe ich mich entschlossen, den herrlichen Herbsttag zu einer
Wanderung durch das Tennengebirge zu nutzen und dabei natürlich auch auf der
Baustelle „Loch im Boden" vorbei zu schauen. Man könnte ja schon einige Steine am
Eingang beseitigen, um einen besseren Einblick zu gewinnen...
„Zufällig" hatte ich natürlich auch Handschuhe, Helm und ein wenig Grabungsgerät im
Rucksack.
Gegen Mittag kann's losgehen: zunächst ist der alles blockierende, große Felsblock in
der Mitte der beiden Bodenlöcher zu beseitigen. Das geht schnell, doch halten kann ich
den schweren Block auf dem steilen Hang nicht, so rollt er mit lauten Getöse etwa 20 m
hangabwärts, um in einer großen Senke liegen zu bleiben.
Der Einstieg ist nach Beseitigung des Blocks noch längst nicht passierbar, nun heißt es
vorsichtig sehr instabiles Gestein entfernen und gleichzeitig aufpassen, daß das Löchlein
dabei nicht komplett zusammenbricht. Leider rutschen mir doch einige Brocken in die
Kammer und rollen dort weiter hinab. Ich hoffe, daß diese den sicherlich engen
Durchstieg zum folgenden Schacht nicht verschließen...
So wird das Bodenloch zwar allmählich größer und letztlich sogar groß genug für eine
Befahrung, doch angesichts des nach wie vor gefährlich bröckeligen Einstiegs verzichte
ich auf die Erstbefahrung. So ganz alleine ist mir das dann doch zu heikel...
2005 Brillenschacht - Keine Niete!
Datum: 30.10.2005
Teilnehmer:
Sabine Bittner,
Dirk,
Steffen,
Micha Gari,
Frank Schlöffel
Am letzten großen Forschungswochenende des Jahres soll das Loch endlich der
Öffentlichkeit vorgestellt werden: Sabine, Dirk, Steffen v.R., und Micha sind meine
ersten Gäste am Einstieg.
Rasch werden noch alle bedrohlich lockeren Steine entfernt, Micha treibt einen Spit in
die Felswand und wenig später rutsche ich erstmals an einem 20m-Seil in die kleine
Kammer hinab. Auch hier findet sich einiges an lockeren Steinen und Geröll und so
heißt es eine viertel Stunde lang vorsichtig „aufräumen"...
Dann ist der Weg frei! Am tiefsten Punkt der Kammer, hinter einer vorspringenden
Felsnase versteckt, zieht eine kompakte Röhre (von etwa 0,4m Durchmesser) unter etwa
70 Grad Neigung einige Meter hinab und am Ende dieser Röhre erwartet mich
Einstieg nach Grabung (Foto: Frank Schlöffel)
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Enge Röhre zum ersten Schacht (Foto: Frank Schlöffel)
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Eine Überraschung: ich stehe auf einer kleinen Plattform und blicke mich in einem 3
Meter durchmessenden Schachtraum um. In 10 bis 12 m Tiefe kann ich den Boden
erahnen. Doch reicht das Seil...? Glück gehabt, denn ich halte beim Erreichen des
Schachtgrunds praktisch den Endknoten in Händen. Ich schaue mich nur kurz um,
denn es sollte von mir heute nur in Erfahrung gebracht werden, ob das neue Loch
überhaupt irgend etwas „Brauchbares" sein könnte.
Diese Frage kann eindeutig mit „ja" beantwortet werden: am Schachtgrund
angekommen erreiche ich bereits nach etwa 5 Meter einen weiteren Abbruch, eine
geschätzt 5m tiefe Stufe, die etwa 3 bis 4 Meter breit ist. Weiter unten kann ich einen
geräumigen Gang einsehen, der etwa 3m breit sein dürfte und mit leichten Gefälle
weiter in die Tiefe zieht. Hier geht's wohl weiter!
Doch nun heißt es rasch aufsteigen um der neugierig am Einstieg wartenden Gruppe
Bericht zu erstatten...
2005 Brillenschacht - Rein in's Vergnügen!
Datum: 31.10.2005
Teilnehmer:
Steffen,
Frank Schlöffel
Es ist bereits nach 15 Uhr, als Micha, Steffen v.R. und ich nach einer Vermessungstour
im Schneeloch zum Eingang des neuen Lochs gehetzt kommen. Sabine und Dirk
erwarten uns schon dort, haben einige Seile mitgebracht und bereits das erste Seil
eingehangen.
Steffen und ich wollen heute „einsteigen"! Zunächst sind im Einstiegsschacht 2 Spits zu
klopfen, einer am Beginn der Röhre, ein zweiter auf der Plattform, wo der Schacht in
die Vertikale übergeht. Eigentlich wollte ich ja den Ersten setzen, doch ich verklopfe
mich total. Also macht's der Steffen und da er so schnell und geschickt ist, macht er
gleich noch den Zweiten hinterher, den auf der Plattform! Am Schachtgrund starte ich
dann einen weiteren Versuch, Seilabhängung an der 5m- Stufe. Steffen hat mittlerweile
eine weitere Abzweigung entdeckt: ein kurzer Schluf bringt ihn einen niedrigen
Gangabschnitt, der zu einem weiteren Schacht führt.
Doch widmen wir uns zuerst der 5m- Stufe, die ich zwischenzeitlich erfolgreich
eingebaut habe: ein schöner Gang mit Kastenprofil, durchschnittlich 3m breit und 2m
hoch nimmt uns auf, führt in einem weiten Rechtsbogen, immer leicht fallend etwa 15m
schräg hinab. An seinem Ende klafft rechter Hand eine deutlich blasende Schachtspalte
in der Wand. Rasch einige Steine hinein geworfen - wieder eine Überraschung! Nach
schrägen Gepolter, fallen sie etwa 2 Sekunden frei, dann weiteres Gepolter.
Fazit: nicht unter 20 m tief, vielleicht auch an die 40 m, unten sicher großräumig.
Weiteres Fazit: nichts für heute, da Seil- und vor allem Spitmangel!
Also zurück zu der kleinen Abzweigung die Steffen noch entdeckt hatte. Der
Schrägschacht entpuppt sich als äußerst brüchig, es findet sich kaum eine Gelegenheit
für eine ordentliche Seilbefestigung. So muß eine eher fragliche Sanduhr mit
Rückversicherung herhalten, Seilabhängungen im Schacht selbst sind leider nicht möglich.
5m- Stufe nach Einstiegsschacht (Foto: Frank Schlöffel)
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Tiefer Schacht am Ende des Hauptganges (Foto: Frank Schlöffel)
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Nach ca. 13m Abseilen erreichen wir Grund und hier erwartet uns eine
weitere Überraschung: ein 2m Aufstieg bringt uns in eine größere Halle, deren Grund
mehrere Meter dick schneebedeckt ist! Wie kommt denn der hier rein...?
Unser Blick nach oben läßt uns einen Deckenschlot erkennen, den wir mit unseren
Lampen bis in etwa 20 m Höhe einsehen können. Doch leider ist es draußen schon
dunkel, so daß wir die scheinbar direkte Verbindung zur Oberfläche nur dadurch
wahrnehmen, weil genau in diesem Augenblick das Geräusch eines Flugzeuges zu hören
ist, welches irgendwo über unseren Köpfen seinen Kurs verfolgt. Dieser, scheinbar
bisher unbekannte Schacht, der sich irgendwo im Latschendickicht unweit unseres
ausgegrabenen Lochs finden muß, könnte nächstes Jahr vielleicht einen bequemeren
Einstieg in die Höhle ermöglichen.
Am Schachtgrund fehlt uns zur näheren Untersuchung wieder ein Seil, denn dem
Schneeboden wollen wir uns keinesfalls ohne Sicherung anvertrauen. Vielleicht handelt
es sich um einen im Schacht verkeilten Schneepfropfen, unter welchem es endlos weiter
in die Tiefe geht... So können wir nur erahnen, daß auch hier einige Ansätze zur
Forschung vorhanden sind.
Nach diesen ersten, positiven Eindrücken entscheiden wir uns zum Rückzug. Nächstes
Jahr muß sicherlich mit mehr Material angerückt werden. Man darf gespannt sein...
Autor: Frank Schlöffel
Fotos: Frank Schlöffel
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