Tourenberichte "Trügerischer Mäander" 2006 - 2008

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Der trügerische Mäander 1511/889

Die Forschungen im trügerischen Mäanders hätten, wenn alles normal verlaufen wäre, irgendwo in unserer Jahreszusammenfassung unter „Sonstige Höhlen” beiläufig Erwähnung gefunden: „Entdeckung und Erforschung bei Oberflächenarbeiten im Jahr 2006, Vermessung der ca. 60m langen Höhle bei der ersten Forschungstour im Jahr 2008.”

Doch schon der Name der Höhle „trügerischer” Mäander läßt erahnen, das in dieser Höhle nichts so gekommen ist, wie man es erwartet hätte.
Während wir bei der Entdeckung die Hoffnung hatten, ein neues Objekt mit viel Potential gefunden zu haben, war die Ersterkundung um so enttäuschender, denn die flachen Räume welche sich am Grund eines 18m tiefen Schachts anschlossen, schienen durch viel Verbruch vollständig blockiert zu sein, hoffnungsvolle Fortsetzungen - Fehlanzeige!
Knapp zwei Jahre später sollte die Vermessung erfolgen - Routine, ohne jegliche Erwartungen war es reine Pflichtarbeit die sich für einen ganz entspannenden zweiten Forschungstag anbot. Doch wieder sollte alles ganz anders kommen und der trügerische Mäander sollte, für uns völlig unvorbereitet, erste Geheimnisse preisgeben.
Doch gehen wir zunächst in das Jahr 2006 zurück, in jenes turbulente Forschungsjahr in dem sich die Ereignisse zu überschlagen schienen...

2006
Das Schneeloch und die Gamskareishöhle bewegen sich in diesen Tagen rasch aufeinander zu, denn in beiden Höhlen arbeiten verschiedene Teams fieberhaft auf einen Zusammenschluß hin. Die Entfernung schrumpft praktisch mit jeder Tour: Meter um Meter, wie beim Vortrieb der großen Tunnel rücken die Höhlen näher zusammen und es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich die Teams die Hände reichen können...
2006 ist aber auch das Jahr der Oberflächenarbeiten: beflügelt durch die Entdeckung des Brillenschachts, werden auf der Suche nach weiteren höher gelegenen Schneelocheinstiegen bald neue Schächte entdeckt und in der Folge erforscht, einer davon: der trügerische Mäander.



1. Forschungstour - Die Entdeckung

Datum: 26.8.2006
Teilnehmer: Steffen, Frank

Am 26.8.2006 sind Steffen und ich einmal mehr im Gelände unterwegs und haben deutlich oberhalb des Schneelochs mehrere interessante und neue Objekte im Blick, die als Kandidaten für einen neuen und höhergelegenen Schneelocheinstieg in Frage kommen. Die meisten der erkundeten Schächte enden jedoch bereits am Grund des Einstiegsschachts, Blindschächte also von ca. 10 bis 20m Tiefe die schnell vermessen und damit abgehakt sind.
Zwei der neuen Höhlen heben sich aus der Masse jedoch etwas hervor, das „Überraschungsröhrl” und der „trügerischer Mäander”, die beide nur wenige Meter voneinander entfernt liegen.
Während das Überraschungsröhrl, eine enge, kleinräumige und oberflächennah verlaufende Horizontalhöhle mit 56 m Länge (Vermessung 2007) endet, scheint der geräumige trügerische Mäander deutlich mehr Potential zu haben, denn ca. 10m nach dem Eingang bricht ein Schacht in unbekannte Tiefen ab.

Der Eingang

Die notwendigen Spits lassen nicht lange auf sich warten und bei unserer Erstbefahrung des 18m tiefen Schachts, bestätigt sich unser positiver erster Eindruck, denn wir seilen in einem schönen und geräumigen Mäander ab.
Am Schachtgrund erreicht man schon nach wenigen Metern eine kleine Halle von etwa 6x8m, die sowohl nach Norden, aber auch nach Süden Fortsetzungen zu haben scheint.

Der erste Schacht

Während Steffen den Südteil erkundet, schlage ich mich durch den Norden: rasch wird es dort flacher und ich muß einige Meter über Geröll und Blöcke schlufen bis ich wieder einen Raum von etwa 5x4m erreiche. Ende - die Kluftfortsetzung am nördlichsten Punkt ist absolut unpassierbar, auf der Ostseite gibt es einen kleinen Schlot mit Tropfwasser, das war es also schon im Norden!
Folgen wir also Steffen in den Süden: auch hier muß man über grobes Blockwerk schlufen, zunächst etwas ansteigend, dann ständig leicht abfallend während der Gang auf Ostrichtung dreht. Erneut weitet es sich zu einem kleinen aber flachen Raum, mögliche Fortsetzungen scheinen nicht vorhanden oder sind nach wenigen Metern hoffnungslos blockiert.
Wir können bei unserer Befahrung auch nirgends Luftzug registrieren, lediglich am Einstieg zum 18m- Schacht finden wir während des Ausstiegs eine mögliche Fortsetzung in Form eines Parallelschachts, mit leichter Bewetterung einwärts. Dessen Erkundung, von der wir uns aber nicht allzuviel erhoffen wollen wir für die spätere Vermessungstour aufsparen.

So weit, so gut und keiner der damals Beteiligten hätte wohl irgend etwas darauf gesetzt, das hier doch noch mehr zu holen sein könnte...

2007
2007 ist ein Jahr herber Enttäuschungen und Rückschläge: im Schneeloch und der Gamskareishöhle schrumpfen die Aussichten beide Höhlen doch noch verbinden zu können, praktisch gegen „Null” und nach Abschluß unserer Forschungsarbeiten im oberen Hauptgangsystem des Schneelochs scheint nicht einmal mehr ein höher gelegener neuer Einstieg realisierbar.
Weitere Oberflächenarbeiten werden daher zurückgefahren und auch der trügerische Mäander gerät ein wenig in Vergessenheit und läuft Gefahr sein weiteres Dasein als zwar erforschtes aber unvermessenes Objekt zu fristen...



2. Forschungstour - Der Durchbruch

Datum: 21.6.2008
Teilnehmer: Miri, Steffen, Frank

Am 21.6.2008 haben Miri, Steffen und ich bei idealen Verhältnissen die nötige Motivation den beschwerlichen Weg von über einer Stunde ab dem Camp auf uns zu nehmen, um endlich unserer Pflicht nachzukommen und die heißt bekanntlich: Vermessung!

Ausblick am trügerischen Mäander

Das ist Steffen's und mein Job und somit hat Miri ausreichend Zeit den unerforschten Parallelschacht einzubauen und zu erforschen.
Nach etwa 2 Stunden scheint die Sache erledigt, der tiefste Punkt etwa 30m unter Einstieg ist erreicht und wir kommen auf eine Gesamtlänge von knapp 70m.

Grund des 18m- Schachts

Flache Verbruchräume

Doch genau hier am tiefsten Punkt fällt uns heute eine sehr enge, da flache Fortsetzungsmöglichkeit auf, die mit relativ wenig Einsatz befahrbar gemacht werden könnte. Heute spürt man hier auch markanten Luftzug einwärts.
Während ich noch mit dem Zeichnen beschäftigt bin, beginnt Steffen mit den Erweiterungen und tatsächlich kann er sich nach etwa 10 Minuten Arbeit hineinquetschen. Die flache Spalte zieht leicht nach unten, wird nach etwa 5-6m sogar noch etwas flacher, weitet sich dabei aber auf etwa 3 Meter Breite.
Und dann, völlig unerwartet bricht die Spalte in einen Schacht ab. Das hatte hier wirklich niemand erwartet...
Dieser ist an einer Querkluft angelegt, am Einstieg etwa 80 cm breit und mehrere Meter lang.
Der Schacht scheint schauerlich tief zu sein: die hinein geworfenen Steine fallen mehrere Sekunden vollkommen frei, pfeifen und zischen dabei um letztlich mit kaum mehr wahrnehmbaren Geräusch irgendwo in den tiefen unseres Planeten zu zerschellen...
Es ist „der Schacht der pfeifenden Steine”, dessen Tiefe wir auf an die 70m schätzen.
Sehr beeindruckt müssen wir an dieser Stelle den Rückweg antreten, denn wir haben nicht annähernd genug Material dabei.
Am ersten Schacht treffen wir wieder auf Miri, die den Parallelschacht erkundet hat: dieser ist etwa 5m tief und nach kurzer und enger Gangpassage wird eine unpassierbare Kluftfortsetzung erreicht.
Schon bald sitzen wir draußen in der Sonne und spekulieren über mögliche Fortsetzungen...

Ohne Zweifel hat nach der heutigen Entdeckung die weitere Erforschung des trügerischen Mäanders an Bedeutung gewonnen!



3. Forschungstour - Der Schacht der pfeifenden Steine

Datum: 11.07.2008
Teilnehmer: Miri, Sabine, Dirk, Frank

Heute sind Miri und ich zuerst am Schacht, denn Dirk und Sabine stecken noch im nahegelegenen Losloch und versuchen dort, am Schachtgrund eine unpassierbar enge Spalte zu erweitern.
So haben wir ausreichend Zeit die Plakette am Einstieg anzubringen, den 18m- Schacht wieder einzubauen und die fehlenden Meter bis zum Schacht der pfeifenden Steine zu vermessen. Einige Spits haben wir sicherheitshalber auch in der Tasche und so beginnen wir am großen Schacht die ersten Spits zu schlagen...
Dirk und Sabine treffen erst gegen 17 Uhr 30 und damit überraschend spät bei uns ein und mittlerweile ist Miri bereits damit beschäftigt 58m unter Schachteinstieg, wo ein geräumiger Canyon vom weiterführenden Hauptschacht abzweigt, unseren letzten Spit zu setzen.

Der Schacht der pfeifenden Steine

Doch das Gestein ist wie schon am Einstieg schwierig, da brüchig und so passiert es immer wieder das ein bereits halb fertiges Dübelloch ausbricht und unbrauchbar wird.
So übernimmt ab hier Maschinist Dirk den Einbau, denn er ist heute im Besitz der von Peter geliehenen Hilti.
Während Dirk den abzweigenden Canyon einbaut, beginnen Miri und ich direkt mit der Vermessung.
Endlich geht es auch für mich den Schacht der pfeifenden Steine hinunter. Je tiefer man kommt, desto mehr weitet sich dieser und man seilt durchwegs frei ab.
58m unter Einstieg, am abzweigenden Canyon, der auch etwa 2m breit sein dürfte blicke ich in den weiterführenden Hauptschacht, der nach Steinwürfen nochmals ca. 15m tief sein könnte.
Doch folgen wir dem Canyon, wo Miri und ich mit dem Vermessen kaum mehr hinterher kommen, so schnell bohrt sich Dirk nun in die Tiefe: nach einer 5m- Stufe folgt ein 11m- Abstieg welcher uns in eine geräumige Halle bringt.
Zwei Fortsetzungen gibt es dort, die von uns nur vorerkundet werden: auf der Südseite kann ständig ansteigend ein blankgewaschener, wasserzuführender Mäander etwa 25m von uns begangen werden. Noch interessanter ist jedoch die Fortsetzung auf der Nordseite der Halle, denn hier verschwindet der Luftzug in einem fossilen Mäander, den wir bis zu einer kleinen Schachtstufe verfolgen.

Bei einer Gesamtlänge von 169m haben wir heute eine Tiefe von 108m erreicht und befinden uns garnicht weit über dem Riesenhöhleniveau. Gute Voraussetzungen für die nächste Tour!



4. Forschungstour - Michelangelo und die Sixtina

Datum: 26.07.2008
Teilnehmer: Sabine, Dirk, Jürgen, Frank

Schon zwei Wochen später sind wir wieder vor Ort.
Während Dirk und Jürgen mit dem Einbau des fossilen Mäanders am Forschungsendpunkt der letzten Tour, alle Hände voll zu tun haben, beginnen Sabine und ich mit der Vermessung des in Gegenrichtung leicht ansteigenden Mäanders. Die Messzüge sind im Mäander erwartungsgemäß kurz, doch wenigstens das Zeichnen geht zügig über die Bühne.

Sabine im ansteigenden Mäander

10 Messzüge sind es bis zu einer unangenehmen Kletterstelle, wo sich über unseren Köpfen, ca. 4m erhöht größere Räumlichkeiten einsehen lassen. Hier beenden wir die Vermessung des ansteigenden Mäanders vorerst, folgen nun Dirk und Jürgen um auch dort die Vermessung aufzunehmen.
Dort ist zunächst ein 4m Seilaufstieg zu bewältigen, der einen in den geräumigen und sandigen Firstgang des Mäanders führt. Immer am Seil geht es weiter, mal etwas abwärts, dann wieder aufwärts und vieler Orts lauern tiefe Durchbrüche des Bodencanyons. Unterbrochen wird dieser Bereich von der wunderschönen „Sixtina”, benannt nach der Sixtinischen Kapelle in Rom mit den beeindruckenden Deckenmalereien Michelangelos.

Die Sixtina

Der Firstgang kann noch einige Meter weiter verfolgt werden, bis der Bodencanyon sich schließlich zu einem Schacht weitet.
Hier treffen wir wieder auf Jürgen und Dirk, die “andächtig“ in die tiefe Spalte hinabblicken.
Ca. 6m unter Schachteinstieg haben sie auf einer kleinen Plattform den letzten Spit gesetzt. Erst hier läßt sich das Ausmaß des Schachtraumes vollständig überblicken: dieser dürfte fast 10m lang und 2-3m breit sein und vermutlich nicht weniger tief als der Schacht der pfeifenden Steine. Unsere letzten und viel zu kurzen Stricke reichen für diesen Schacht vorne und hinten nicht. So ist der letzte Spit nicht nur der letzte Meßpunkt sondern auch der Umkehrpunkt dieser Tour.

Nach dieser Tour ist der trügerische Mäander 225m lang und 110m tief. Noch immer ist vollkommen offen wohin die „Reise” geht...



5. Forschungstour - Auch Kleinvieh macht Mist

Datum: 12.9.2008
Teilnehmer: Steffen, Frank

Am 12.9.2008 geht es für dieses Jahr letztmals in den trügerischen Mäander denn im Herbst sollen uns die weiteren Forschungen im Schneeloch intensiv beschäftigen.
Auf dem Programm stehen heute besonders Restarbeiten in den bisher erforschten Bereichen, also das Untersuchen der bisher nur flüchtig oder garnicht erkundeten Abzweigungen.
Nachdem wir wieder den 58m tiefen Schacht der pfeifenden Steine abgeseilt sind, ist als erstes die Fortsetzung des Hauptschachts fällig.
Dank der Bohrmaschine geht der Einbau sehr schnell über die Bühne und bereits wenig später kann Steffen den 10m- Schacht abseilen um zu verkünden, was schon bei der letzten Tour vermutet worden war: „zu!”
2 Meßzüge später ist die Sache erledigt und wir folgen der Hauptfortsetzung bis in die „Halle”.

Fortsetzung Hauptschacht

Querung im ansteigenden Mäander

Dort soll der ansteigender Mäander weiter bearbeitet werden, denn bei der letzten Tour hatten Sabine und ich die weitere Vermessung an einer 4m- Stufe eingestellt.
Die Stufe ist rasch überwunden, wird noch mit einem kurzen Handstrick für den Rückweg versehen und führt uns in eine raumartig erweiterte Überlagerung des Mäanders.
In beide Richtungen scheint es hier weiterzugehen:
dem Wasserzulauf weiter nach Westen folgend wird nach einer 3m- Kletterstufe und einer Richtungsänderung auf Süden rasch ein unpassierbar enger Schlot erreicht.
in Gegenrichtung kann am Ende des raumartigen Bereiches über eine ausgesetzte Querung wieder Richtung „Halle” vorgedrungen werden.
Die beiden Bereiche sind bald vermessen und damit abgeschlossen.
Nun geht es für uns weiter, über die berühmte „Sixtina” bis zum neuen Schacht. Hier, aber auch bereits zuvor sind einige Seile umzubauen bzw. gegen kürzere zu tauschen, bevor wir mit dem eigentlichen Einbau des Schachts beginnen können.
Etwa 8m unter Einstieg wird zunächst ein großräumiger, rückläufiger Gang untersucht, der jedoch nach etwa 15m an einem kleinen „See” endet. Nach der Vermessung widmen wir uns wieder dem Hauptschacht.

Der rückläufige Canyon

Ein großer, äußerst brüchiger Felskopf bereitet uns hier einiges an Kopfzerbrechen und muß etwa eineinhalb Stunden mit dem Hammer bearbeitet werden, bis das lockere Gestein beseitigt ist.
Trotzdem wird hier in Zukunft allergrößte Vorsicht erforderlich sein...
Zuletzt werden noch zwei Bohranker an der gegenüberliegenden Wand plaziert, die bei der nächsten Tour ein weitgehend freies Abseilen erlauben sollten.
Schließlich geht es wieder hinaus.
Die Gesamtlänge beträgt nach dieser Tour und damit zum Jahresende 2008, 278m, die Tiefe liegt bei -121m.

Im nächsten Jahr wird es hier bestimmt mit viel Power weitergehen...

Autor: Frank Schlöffel
Fotos: Dirk, Frank Schlöffel


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